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Warum Entschleunigung in der Vorweihnachtszeit häufig fehlt

Die besinnliche Jahreszeit ist in vollem Gange. Allein der Begriff klingt nach Kerzenschein, warmem Tee und langen Abenden auf dem Sofa. In unserer Vorstellung rieselt draußen leise der Schnee, drinnen herrscht wohltuende Ruhe. Die Realität sieht jedoch weniger romantisch aus: Der Wecker klingelt in den dunklen Morgen hinein, der Kalender ist voller als sonst und zwischen Geschenkpapier und Jahresabschluss fragt man sich: Wann genau sollte eigentlich diese Entschleunigung stattfinden? 


Dezemberstress und Weihnachtsvorbereitungen: Warum Entschleunigung schwerfällt

Im Dezember geschieht alles gleichzeitig. Zumindest fühlt es sich an manchen Tagen danach an. Plötzlich backen selbst Menschen, die sonst fast nie mit Mehl und Eiern hantieren, drei verschiedene Plätzchensorten und blühen zu Konditoren auf. Termine, die monatelang aufgeschoben wurden, müssen nun unbedingt noch vor Weihnachten erledigt werden. Die Anwesenheit auf mehreren Weihnachtsfeiern ist ebenfalls Pflicht, denn schließlich ist das Erscheinen wichtig für Beziehungen, Teamgeist und das eigene Gewissen. Entschleunigung steht zwar ganz oben auf der Wunschliste, wird aber konsequent auf morgen verschoben.

 

Hinzu kommt, dass Besinnlichkeit längst zu einer Art Leistungsziel geworden ist. Niemand will Weihnachten einfach nur erleben, es muss in Perfektion erlebt werden. Die Wohnung soll gemütlich aussehen und die Stimmung maximal harmonisch sein, während wir Tiefenentspannung auf die Must-Do-Liste setzen. Das Problem dabei ist allerdings, dass Entspannung sofort verschwindet, wenn sie unter Stress entstehen soll. Statt Ruhe zu fühlen, überprüfen wir uns innerlich ständig, ob sich dieses wohlige Weihnachtsgefühl nun endlich einstellt.

Entspannung und Achtsamkeit im Konsumrausch: Wie Erwartungen uns stressen

Ein weiterer Faktor sind die Erwartungen. Eigene und fremde. Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen: Alle haben Vorstellungen davon, wie die Adventszeit auszusehen hat. Man sollte sich sehen, man müsste sich noch treffen, man kann doch jetzt nicht absagen. Es ist schließlich Weihnachten. Entschleunigung braucht Freiraum, doch Erwartungen füllen ihn zuverlässig bis zur Grenze.

 

Gleichzeitig ist die Adventszeit heute weniger eine Phase des Innehaltens als ein Kaufrausch. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber Einkaufszentren, Online-Shops und Rabattaktionen verhindern es, leise zu werden. Selbst Dinge, die eigentlich zur Entspannung beitragen sollen, kommen oft mit Kaufdruck daher: ein ablaufender Gutschein für eine Massage, der letzte freie Friseurtermin oder das perfekte Weihnachtsessen. Ruhe wird optimiert, den Bedingungen angepasst und idealerweise bis morgen geliefert.

Dazu kommt, dass viele Menschen am Ende des Jahres schlicht erschöpft sind. Ein langes Jahr steckt in den Knochen. Entschleunigung wäre dringend nötig, doch stattdessen wird in den Augen-zu-und-durch-Modus geschaltet. Die eigentliche Erholung wird auf die Zeit nach den Feiertagen verschoben. Später. Nächste Woche. Irgendwann. 

 

Vielleicht findet Entschleunigung auch deshalb nicht statt, weil sie Mut braucht. Wirklich langsamer zu werden bedeutet, Dinge nicht zu tun. Termine abzusagen, Erwartungen nicht zu erfüllen, unperfekt zu sein. Gerade im Dezember, wenn alles nach mehr, schöner und intensiver ruft, fühlt sich das fast rebellisch an. Und genau darin könnte die Wahrheit über die besinnliche Jahreszeit liegen: Sie ist kein Zustand, den man erreicht, sondern ein Moment, den man zulässt. Ein tiefer Atemzug zwischen zwei Terminen. Fünf Minuten Stille ohne Zweck. Ein bewusstes Nein zur dritten Weihnachtsfeier.

 

Entspannungsmomente kommen selten groß und feierlich daher. Sie sind leise, unscheinbar und oft genau dann da, wenn wir aufhören, sie perfekt machen zu wollen. Ob als bewusste Entscheidung für eine gebuchte Entspannungsauszeit oder als Augenblick mit geschlossenen Augen auf einem überfüllten Weihnachtsmarkt: Wir müssen sie nur zulassen und akzeptieren. 

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